Kunst von Frauen wird zur Zeit ganz neu entdeckt. Diese Welle hat auch den Altmeistermarkt erfasst und ist zu einem Verkaufsargument geworden. Als Auktionshaus folgt man gerne diesem Trend und fragt sich: Warum bin ich als Versteigerer da nicht schon eher drauf gekommen? So kann ich ja viel höhere Preise fordern als wenn es nur ein Mann gemalt hätte!  Ein Beispiel dafür ist vorliegendes Bild, welches beim Auktionshaus La Suite Subastas aus Barcelona am 30.03. zur Auktion gelangt:

Los 22:

Attributed to Catharina van HEMESSEN, (Antwerp ca.1525/26 – after 1578), St. Jerome, Oil on Panel, the remains of a signature clearly Show the last letters „..NA“, 43.5 x 36cm

Die Signatur

Es ist schon etwas besonderes eine malende Frau im 16. Jh. zu finden. Dies hätte aber nie geklappt, hätte sie ihre Werke nicht signiert. Allerdings ist Signatur nicht gleich Signatur. Insbesondere wenn sie unleserlich ist wie im vorliegenden Fall:

https://portal-images.azureedge.net/auctions-2023/la-sui10051/images/24201e0b-fbb0-437d-80a2-afc000fcd167.jpg?w=540&h=360

Abbildung: La Suite Subastas, Barcelona

Zugegeben: Man kann hier nicht viel erkennen und müßte die vom Auktionshaus gemachte Beobachtung schon am Original selber verifizieren. Allerdings gehört schon einiger guter Wille dazu die zwei Kapitalis-Buchstaben „NA“ herauslesen zu wollen. Doch soll uns an dieser Stelle ein Vergleich genügen. Dabei lässt sich unschwer feststellen, daß hier etwas nicht ganz stimmen kann. So befindet sich die Signatur nicht irgendwo versteckt im Gemälde, sondern an prominenter Stelle platziert, daß man sie gleich sehen kann. Und wenn es schon einen dunklen Hintergrund gibt, dann malt man seine Unterschrift bitte auch in einer schön kontrastreichen Farbe dazu:

 

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/b5/Hemessen-Selbstbildnis.jpg/800px-Hemessen-Selbstbildnis.jpg

Bild: Wikimedia common / Öffentliche Kunstsammlung, Kunstmuseum, Basel

 

Vorbilder

Dies geklärt kann man nun damit anfangen darüber nachzudenken, ob vorliegendes Bild tatsächlich von ihr stammt. Das Auktionshaus hat ganz zurecht den Bezug zu einem Altarretabel hergestellt, welches aus der Werkstatt ihres Vaters, Jan van Hemessen, kommt. Es handelt sich dabei um den sogenannten Tendilla-Altar, der heute in Cincinnati aufbewahrt wird und ein echter Hingucker ist.

 

Die Kunsthistorische Literatur ist sich einig darüber, daß Jan van Hemessen an dem Altar persönlich nicht mitgearbeitet hat (Mary Ann Scott, Dutch, Flamish, and German Paintings in the Cincinnati Art Museum, 1987, S.69-73). In Ermangelung es genauer zu wissen, wer Mitglied dieser illustren Werkstatt gewesen ist, fällt die Ehre daher seiner Tochter zu. Sie hat möglicherweise die qualitativ hochwertigeren Bilder des Retabels gemalt. So auch den hl. Hieronymus. Und dafür spricht einiges: Zum einen soll der Altar erst nach dem Tode ihres Vaters entstanden sein, zum anderen setzten sich die Darstellung zum Teil deutlich von denen ihres Vaters ab, wobei wir bei der guten, alten Stilkritik gelandet sind.

 

Wenn wir die Stilkritik als Grundlage nehmen, dann sind die Details von Bedeutung. So etwa eine gelängte Nase, die in Katharinas Werk gerne auftaucht und zusammen mit der Mundpartie deutlich hervorsticht. Dies ist in ihren überwiegend erhaltenen Portraits deutlich der Fall aber auch bei dem hl. Hieronymus im Altarbild in Cincinatti.

Bild: Wikimedia commons/ Cincinnati Art Museum

 

Schauen wir uns nun einmal hingegen den in Spanien angebotenen Hieronymus an. Dieser weist ein Stupsnäschen auf und die Mundpartie wird von seinem Bart verdeckt – irgendwie mag das so gar nicht zu den Werken von Katharina passen.

 

Attributed to Catharina van Hemessen (Antwerp, c. 1527/1528 - after 1578) - Bild 6 aus 11

Abbildung: La Suite Subastas

 

Wie das Auktionshaus richtig darauf hingewiesen hat, ist der Kopf viel besser mit einem Vorbild ihres Vaters Jan van Hemessen in Einklang zu bringen:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/74/Jan_sendars_van_hemessen%2C_san_girolamo_in_preghiera.JPG/800px-Jan_sendars_van_hemessen%2C_san_girolamo_in_preghiera.JPG?20110211154319

Abbildung: Wikimedia Commons / Musei di Strada Nuova, Palazzo Rosso, Genua

 

 

Ein Blick genügt: Mund, Nasenpartie, ja die gesamte Partie des Oberkörpers bis hin zu den ins Gebet gelegten Händen scheinen direkt abgekupfert worden zu sein. Und noch etwas ist interessant: Anscheinend sind sowohl bei dem hl. Hieronymus in Cincinnati als auch bei dem Bild in Italien die Landschaftshintergründe seperat von anderer Hand gemalt worden. Tatsächlich ist es nicht unüblich in Werkstätten in Holland und Flandern eine derartige Arbeitsteilung zu finden. Und schaut man einmal genauer hin, dann kann man das auch deutlich erkennen: Vordergrund und Hintergrund gehen tatsächlich nicht ineinander über, sondern bestehen quasi nebeneinander her. Bei dem von Katharina gemalten Hieronymus ist dies besonders deutlich: Der die linke Hälfte des Bildes dominierende braune Farbton geht im rechten Teil plötzlich einer hellen Farbpalette aus grün und weißtönen über.

In dem auf der Auktion angebotenen Bild ist das aber anders. Hier ist der hl. Hieronymus in der Landschaft selbst dargestellt; er ist von ihr umgeben. Die Übergänge von Vorder- und Hintergrund erfolgen allmählich. Auch hat der unbekannte Maler auf die Darstellung einer felsigen Landschaft im Vordergrund verzichtet. Stattdessen ist eine Weltenlandschaft zu sehen, die den Betrachter ebenso in ihren Bann zieht wie den Heiligen.

Fazit

Nur weil man angeblich zwei Buchstaben lesen kann, die auf einem Gemälde vorkommen, lässt sich daraus noch längst kein Name ableiten. Und mit ein bisschen mehr Stilkritik wäre man da auch ganz von selbst draufgekommen. Doch wenn sich zur Zeit Frauen eben besser als Männer verkaufen lassen, ist die Versuchung groß damit Geld zu machen. Insbesondere wenn man € 60.000 – 80.000 für das Bild ansetzt. Dabei handelt es sich bei dem Bild um eine eigenständige Komposition, die zwar als Grundlage ein Vorbild von Jan van Hemessen aufgreift, dieses aber auf ganz eigene Art und Weise in ein Bild umwandelt.