Van Ham in Köln hat in seiner ersten Auktion im neuen Jahr am 25.01.2023 diese ansprechende Zeichnung zum Aufruf gebracht, die eine Darstellung einer fiktiven Stadt inmitten einer Landschaft mit Bäumen im Vordergrund und Bergen im Hintergrund zeigt. Durch die Bäume bewegen sich zwei Figuren auf die Stadt zu, die anscheinend an einem See liegt und von Türmen jeglicher Größe dominiert wird. Ein traumhaft gelegener Ort, der als

 Los 25, Flämische Schule: Flusslandschaft mit Stadtansicht, Feder und braune Tinte, Aquarell auf Papier, 23 x 30cm

vekauft wurde.

Abbildung: Van Ham Auktionen, Köln

Eigentlich ist an dieser Bezeichnung nichts auszusetzen. Schließlich gelten Maler aus Flandern als die Erfinder der „Weltenlandschaft“, jenem fiktiven Ort also in dem aus der Zusammenstellung verschiedener Elemente wie Berge, Meer, Wald und Wiese eine sich in die „Unendlichkeit“ ausdehnende Landschaft entsteht. Besonders Pieter Breughel d.Ä. ist in diesem Zusammenhang zu nennen. So ist er doch der erste gewesen, der darauf verzichtete in einer solchen Landschaft Christus oder eine biblische Geschichte einzufügen.

Somit wäre ja eigentlich alles in Ordnung. Schließlich sind ja die gerade aufgezählten Merkmale vorhanden und man könnte die Zeichnung bei den vielen anderen ablegen, die ohne Name durch die Kunstgeschichte geistern. Doch im vorliegenden Fall kann man glücklicherweise etwas präziser werden.

Und dabei ist schon die erste Enttäuschung zu nennen: Es handelt sich nicht um einen Flamen oder Niederländer. Bei der Zeichnung handelt es sich um den in deutschen Landen tätigen Maler Johann Oswald Harms (1643 Hamburg – 1708 Braunschweig). Als zweite Enttäuschung ist zu nennen, daß dieser zu allem Überfluß auch noch wie viele Deutsche vor ihm nach Italien gegangen ist um dort seine Ausbildung zu vervollständigen. Zur Ehrenrettung der flämischen Malerei sei dazu gesagt: Wenn es um Landschaft geht, dann haben die Italiener ja eigentlich auch nur „abgekupfert“.

Zum Glück hat der Autor vorliegender Zeichnung nicht nur eine, sondern gleich eine ganze Menge davon produziert, sodaß man durchaus ähnliche Darstellungen finden kann. Ein großer Teil seines zeichnerischen Werkes hat sich übrigens im Herzog Anton-Ulrich Museum in Braunschweig erhalten.

Abgesehen davon hat ein nicht zu unterschätzender Teil seiner Arbeiten auch den Weg in den Kunstmarkt gefunden. Dabei sei noch hinzugefügt, daß Harms als Bühnenmaler in Braunschweig tätig war und so ist es auch nicht wirklich verwunderlich, daß die Darstellung etwas von einer Bühneninszenierung hat. Als Beispiel für das Schaffen von Harms sei eine Darstellung aus der Hamburger Kunsthalle zum Vergleich herangezogen, wo eben auch die dramatische Inszenierung einige seiner Zeichnungen ganz gut zum Ausdruck kommt:

 

https://www.hamburger-kunsthalle.de/sammlung-online/johann-oswald-harms/ideale-flusslandschaft

 

Auch wenn das Bild leider nicht als Abbildung direkt gegenüber gestellt werden kann, sei doch hier auf die Ähnlichkeiten in der Komposition mit der Zeichnung bei van Ham hingewiesen: Eine an einen Fluß grenzende Stadt ist mit unterschiedlichen Türmen bewehrt. Hinter ihr erhebt sich in dramatischer Art und Weise zusammengestellt eine zerklüftete Felslandschaft. Das Flair des ganzen Bildes verweist auf den Süden, was die am linken Bildrand hoch aufragenden Ruinen nur noch verstärken. Nun, etwas muß ja beim Besuch von Harms in Italien auch künstlerisch hängen geblieben sein!

 

Die Zeichnung wurde bei Van Ham im übrigen für 600 Euro verkauft. Ein durchaus angemessener Preis für eine Zeichnung für einen unerkannten Johann Oswald Harms.