Ein wenig „offensiver“ hätte man den Dargestellten beim Auktionshaus Quentin in Berlin durchaus anpreisen können. Schließlich gibt es bei dem Dargestellten kaum eine Verwechslungsmöglichkeit:

 

Altmeisterporträt, spanisch, um 1700
Bildnis eines adligen Herren mit Blick nach rechts (wohl Philipp II von Spanien). Öl auf Holz. 39 x 28,3 cm. Ebonisierter Kassettenrahmen mit innenliegender Wellenleiste.

 

                                      Abbildung: Auktionshaus Quentin, Berlin

 

 

Es gibt keinen Zweifel: Der Dargestellte ist Philipp II. Gemalt hat sein Konterfei kein geringerer als Tizian. Ihn malte Tizian in mehreren Portaits über die Jahre seiner Herrschaft hinweg. Um nun das Bildnis des Herrschers über das Land hinweg zu zeigen, genügte es natürlich nicht, wenn Tizian ab und zu mal ein Bild von ihm malte. Nicht jeder Maler hatte unbedingt Zugang zum Hof, so daß man, wenn man das Bild des Herrschers malen wollte, sich an Bilder zu halten hatte, die im Umlauf waren. Wie die eben hier vorgestellte Kopie nach Tizian.

 

Vorliegende Version zeigt ihn in strenger schwarzer Tracht mit einer weißen Mühlsteinkrause. Einziges herausstechendes Merkmal ist die Kette vom Goldenen Vlies, dessen Ordensgroßmeister Philipp war.

 

Und hier sieht man schon einen kleinen „Fehler“, den der Kopist dieses Bildes gemacht hat. Auf dem Bilde Tizians ist Philipp mit einem hermelinbesetzten Kragen zu sehen, der aber im hier besprochenen Bild fehlt. Zum Vergleich sei die in Rom aufbewahrte Version des Bildes von Tizian herangezogen:

Abbildung: Galleria Nazionale d’Arte Antica über Wikimedia commons

 

Was aber insbesondere auffällt ist, daß das Bild seitenverkehrt gemalt wurde. Hat der Kopist das mit Absicht gemacht? Nun, eher nicht. Es zeigt vielmehr, daß jener nie ein Ölgemälde von Philipp zur Vorlage seines Bildes hatte, sondern sich auf einen Stich verlassen hat, die weitläufig über den Herrscher zirkulierten:

 

Bild: Albertina, Wien, Inventarnummer F/I/14/3, Picture in the Public Domaine Mark 1.0

 

Zwar wurde das Portrait des Herrschers richtig herum gestochen, doch beim Druck wurde es dann eben seitenverkehrt wiedergegeben. Und so wurde der Stich dann auch verkauft. Da der Stich eben in schwarz-weiß gehalten war, mußte der Kopist seinerseits die Farben nachempfinden. So passierte es dann, daß die Kette vom Goldenen Vlies golden wurde, während sie bei Tizian in einem eher silbernen Farbton gehalten wurde.

Fazit

Schöpfer des vorliegenden Kupferstichs ist der französische Maler Jean Morin (um 1590 – 1650). Da Kupferstiche für gewöhnlich in ganz Europa verkauft wurden, muss das vorliegende Bild nicht unbedingt in Spanien entstanden sein. Ein kleiner Hinweis über den Entstehungsort mag das Material der Tafel geben: es ist aus Holz. Ein Bildträger, der im 16./17. Jh. recht gerne noch in deutschen Landen verwendet wurde. Somit könnte das Bild auch hier bei uns entstanden sein. Jedenfalls kann man bei einem Ansatzpreis von 900 Euro für das Bild nicht viel falsch machen, wenn man ein historisches Dokument erwerben möchte.