Das nordenglische Auktionshaus (Elstop & Elstop Auctioneers) hat vor kurzem folgendes Bildnis angeboten:
After GEORG Desmarées (1697 – 1776) Portrait of Maria Anna Sophia of Saxony, oil on canvas, laid on board; fragment of a larger canvas, oval, framed, 30,5 cm by 23,5 cm.
Nach GEORG DESMARÉES (1697 – 1776), Portrait of Maria Anna Sophia von Sachsen, Öl auf Leinwand, auf Karton montiert, Fragment eines größeren Gemäldes;
Bei dieser Beschreibung ist fast alles richtig bis auf den Zusatz „nach“. So spricht nichts dagegen das Bild Georg Desmarees, dem Hofbildmaler des Bayrischen Kurfürsten Maximilian III Joseph aus München, zuzuschreiben. Desmarées Bilder sind eigentlich leicht wiederzuerkennen. Die Physiognomie der Dargestellten sieht irgendwie immer gleich aus. Der Maler hat eine Vorliebe für gelängte, schmale Gesichter mit feine Nasenrücken und spitzen Nasen. Schließlich wollte er damit seine Kundschaft besser aussehen lassen als sie in Wirklichkeit war.
Nun ist Georg Desmarees eher für große, wandfüllende Gemälde bekannt aber nicht für eine im Oval ausgearbeitete Portraitdarstellung, ja sie ist eher singulär in seinem Werk. Anscheinend muss eine größere Beschädigung vorgefallen sein, so dass man es radikal verkleinern musste, wie etwa nach einem Brandschaden. Ausgesehen hat es einmal wie die unten abgebildete Version in München:
Laut dem aktuellen Werksverzeichnis von Carl Hernmarck von 1933 gibt es nicht weniger als 25 (!) Darstellungen von Maria Anna, wobei er sie in „allen Lebenslagen“ gemalt hat. Damit ist sie zweifellos Spitzenreiterin unter den portraitierten Personen Desmarées. Drei davon folgen dem hier vorgestellten Typus. Das Fragment ist keines davon und darf daher zu dieser Liste neu dazugerechnet werden.
Nun hat Desmarées nicht alle Bilder persönlich gemalt. Er hatte schließlich eine Werkstatt, die ihm Arbeit abnehmen konnte. Und hier wird es kompliziert, denn damit gibt es eine Reihe von kleinen, aber feinen Abstufungen, was die Qualität der Bilder betrifft. Das Problem wird deutlich wenn man das vor vielen Jahren bei Hampel verkaufte Bild sich betrachtet. Es wurde damals von einem Gutachter als „weitestgehend eigenhändig“ gemalt bezeichnet. Eine etwas unpräzise Aussage, wenn Sie mich fragen:
Nehmen wir das Münchner Bild als Vorbild, denn es wurde immerhin für den Hof gemalt und man könnte doch erwarten, dass der Meister höchstpersönlich von Anfang bis Ende Hand anlegt. Davon ist auch Carl Hernmarck überzeugt. Maria Anna wirkt mit ihrem Doppelkinn wie eine „Matrone“: eine ältere, füllige und wohlsituierte Frau. Man merkt die Lebenserfahrung, die aus dem Bild spricht. Bei dem ovalen Fragment ist dies auch noch eingefangen, wenngleich das Gesicht geglättet und somit ein wenig geschönt wirkt, sie ist immer noch die abgeklärte Dame mittleren Alters. Bei dem Neumeister-Bild bekommt man schon eher den Eindruck, dass noch ein bißchen mehr „geschönt“ wurde; das Gesicht wirkt gestrafft und Maria Anna erscheint glatt um zehn Jahre jünger. Damit verliert sie allerdings ein Stück ihrer Persönlichkeit, was ein Anzeichen dafür sein kann, dass das Bild durch einen erfahrenen Mitarbeiter der Werkstatt ausgeführt wurde. Wenn da nicht die Nasenpartie wäre, die typisch für Desmarées ist.
Wer noch etwas genauer hinschauen will, der kann das entzückende Blumenbouquet und das gerüschte Seidenhalsband (der Ausdruck stammt nicht von mir) entdecken. Auch das Seidenkleid mit seinen eingesetzten Spitzen erfreut das Auge. Es gibt auf dem Bild viel zu entdecken und Desmarées hat offensichtlich eine Vorliebe für derartige Details.
Drei Versionen, die sich in der Form sehr ähneln, jedoch in der Wirkung deutlich abweichen. Zwischen Original und Werkstatt ist es manchmal nicht einfach zu unterscheiden. Übrigens: Bis heute hat die Kunstgeschichtsschreibung nicht viel Neues zu Georg Desmarées hinzufügen können. Es gibt also noch viel zu tun; Freiwillige vor!