Bei Koller in Zürich wurde vor kurzem folgende Zeichnung verkauft:

 

Abbildung: Koller Auktionen, Zürich

 

Lot 3402
DANIELE DA VOLTERRA (UMKREIS)
(Volterra 1509–1566 Rom)
Rückenansicht eines nackten schreitenden Mannes. Nach MICHELANGELO.
Schwarze Kreide.
Der Kommentar hätte durchaus schon ein wenig ausführlicher Ausfallen können, immerhin handelt es sich ja nicht um irgendjemanden, sondern um ein Werk nach Michelangelo! Und die Zuschreibung ist ja auch nicht von schlechten Eltern, wenn man Michelangelos Schüler Daniele da Volterra ins Spiel bringt!
Nun kann man sich unter der knappen Beschreibung „nach Michelangelo“ eine Menge vorstellen, u.a. auch daß es sich bei der vorliegenden Zeichnung schlicht und einfach um eine Kopie handelt. Darum hätte man bei der Beschreibung erwähnen können, daß es sich um einen Rückenakt aus dem Jüngsten Gericht in der Sixtinischen Kapelle handelt. Hier das Vorbild:

Bild: Wikimedia Commons

Aber kommen wir nun zu Daniele da Volterra, dem ja die Zeichnung zugeschrieben wird oder genauer gesagt seinem Umkreis. Daniele ist in der Kunstgeschichte als „Hosenmaler“ eingegangen. So war er es, der die als anstößig empfundenen nackten Heiligen wenige Jahrzehnte nach der Entstehung des Freskos diese mit züchtigen Umhüllungen versah. Damit impliziert eine Zuschreibung an ihn oder seinen Umkreis, daß die Zeichnung im 16. Jh. entstanden sein könnte.
Nun sind aber eine ganze Menge von Zeichnung nach Michelangelos Jüngstem Gericht im Umlauf. Gerade weil dieser über Jahrhunderte als stilbildend angesehen wurde, wurde er auch dementsprechend immer wieder kopiert. Wie im vorliegenden Fall, der beim Kunst- und Auktionshaus Quedlinburg zum Aufruf kommt:

Bild: Kunst- und Auktionshaus Quedlinburg

Michelangelo Buonarroti, Kampf um die Seele (Figurengruppe aus dem Jüngsten Gericht)

(…) Kopie nach, Rötelzeichnung/Papier, unsigniert, wohl um 1700, rückseitig von unbekannter Hand in Tusche bezeichnet „appartit M Leroy“ (Eigentum Monsieur Leroy), zeichnerisch präzise Kopie nach der Gruppe eines um zwei Seelen ringenden Engels aus der weltberühmten Komposition des Jüngsten Gerichts in der Sixtinischen Kapelle im Apostolischen Palast (Vatikanstaat) (…) stark vergleichbar mit der Kopie der ebenfalls aus dem Jüngsten Gericht stammenden Figur des Heiligen Bartholomäus in der Sammlung des Kupferstich-Kabinetts der Hamburger Kunsthalle (Inv. Nr. 21193), altersgemäß guter Zustand, staubrandig, leicht angebräunt und mit dezenten Stockflecken, Träger leicht wellig, Darstellung 59 x 43 cm (HxB), hinter Glas, gerahmt, Rahmenbreite 9 cm

 

Wie man sieht hat sich das Auktionshaus die Mühe gemacht explizit auf den Entstehungsort hinzuweisen und den potentiellen Käufer darüber aufzuklären, daß es sich um eine Kopie handelt, die ca. 150 Jahre nach der Fertigstellung des Freskos entstanden sein könnte. Mehr hätte man kaum machen können, um in einer kurzen und knappen Beschreibung das Wichtigste darüber zu sagen. Das Interesse wird also nicht nur mit leichten Andeutung entfacht, wie es bei Koller der Fall ist.

 

Nun ist an der Zuschreibung des Auktionshauses Koller an den Umkreis des Daniele da Volterra für die kreuztragende Rückenfigur zwar prinzipiell nichts auszusetzen, doch wenn man sich den hl. Bartholomäus  aus der Sammlung des Kupfersich-Kabinetts in Hamburg einmal anschaut, welchen das Auktionshaus in Quedlinburg dankenswerterweise erwähnt hat, dann stellt man fest, daß man es auch hier es einstmals versucht hat die Zeichnung mit einem Künstlernamen zu verbinden. Allerdings hat man es eventuell dann aber bleiben lassen. Kopien entziehen sich in der Regel einer Zuschreibung an einen Künstler. Selbst eine Datierung ist durch solche Umstände schwierig, weil sie sozusagen „zeitlos“ sind.

 

Trotzdem hat die Erwähnung des Namens Daniele da Volterra bei Koller gezogen. Von 800 CHF wurde die Zeichnung auf über 21.000 CHF angehoben. Kein schlechte Wertsteigerung für eine Zuschreibung. Anscheinend hat ein Käufer ein wenig mehr als nur eine reine Arbeit aus dem Umkreis  des Daniele da Volterra gesehen. Wollen wir mal hoffen, daß es bei diesem Preis längerfristig nicht zu einer Enttäuschung kommt.