Vor kurzem ist der Erfinder der sogenannten „Wimmelbilder“ 85 Jahre alt geworden: der Buchautor und Illustrator Ali Mitgusch. Laut seiner Aussage habe er nur das alltägliche Treiben auf der Straße von seiner Wohnung aus beobachtet. Und da dort gleichzeitig viel nebeneinander passiert, habe er es eben auch so aufgezeichnet.  Seine Bücher kamen derart gut bei Kindern an, dass sie sich bis jetzt über 5 Millionen mal verkauft haben.

 

Bilder, in denen immer viel los ist, gibt es aber nicht erst seit Mitgusch. Dafür ist das bei Schloß Ahlden vor kurzem angebotene Bild ein gutes Beispiel. Es sind Bilder wie dieses warum es die Disziplin Kunstgeschichte überhaupt gibt: Denn wo viel los ist, gibt es auch viel zu erklären. Und für Erklärungen und Deutungen von Bildern sind nunmal Kunsthistoriker zuständig. Genauer definiert hat dies Anfang des 20. Jh. Heinrich Wölfflin in seinen „Kunsthistorischen Grundbegriffen“. Er spricht von „Vielheilt“ und „Einheit“ in Bildern. Vereinfacht gesagt heißt das: Wo viele Figuren zu sehen sind, gibt es mehr zu deuten als bei Bildern mit wenigen Figuren. Diese Begriffe sind zwar relativ und es kommt immer darauf an, welche Bilder man miteinander vergleicht, doch mehr „Vielheit“ kann man eigentlich kaum noch in einem Bild verlangen. Hier wimmelt es ja nur so von Personen:

 

Abbildung: Auktionshaus Schloß Ahlden

Peter van Lint
(1609 Antwerpen – 1690 ebenda)
Triumph von Jupiter und Cupido

Öl/Kupfertafel. 84 cm x 114 cm

 

Ein tolles Bild. In der Bildmitte ist Jupiter auf einem Triumphwagen zu sehen, der von vier Schimmeln gezogen wird. Um ihn herum weitere Götter des Olymp, u. a. Mars, Neptun, Pluto und Apoll sowie Hercules mit seiner Frau Omphale.

 

Der Titel, „Triumph von Jupiter und Cupido“ ist etwas irreführend. Tatsächlich triumphiert nur einer: und das ist Cupido! Als Gott der Liebe thront er sogar noch über Göttervater Jupiter. Zum Beweis sind diesem die Hände gebunden. Über die Liebe ist selbst er machtlos. Auf dem Boden übrigens einige der Opfer, die Cupido mit seinen Liebespfeilen „zur Strecke“ und somit den Tod gebracht hat: das unglückliche Liebespaar Pyramus und Thysbe sowie Narziss, der über einem Brunnen zusammengesackt ist.

 

Wer noch mehr entdecken möchte, der muß nur etwas genauer hinschauen. Irgendwo im Hintergrund ist immer eine Figur zu sehen- und damit auch eine neue Geschichte, die mit ihr erzählt wird. Darum macht es wohl auch so viel Spaß das Bild anzuschauen: Der in griechisch/ römischer Mythologie bewanderte Betrachter kann hier mit seinem Wissen glänzen und angeregt mit anderen über die dargestellten Szenen plaudern.

 

Zwar hat das vorliegende Bild sich nicht millionenfach verkauft wie es bei den Büchern von Ali Mitgusch der Fall ist, doch hat der in Antwerpen ansässige Maler Peter van Lint für seine Maßstäbe damit einen Verkaufsschlager gelandet. Insgesamt drei Versionen, die (fast) alle identisch sind, gibt es von dem Bild. Die bekannteste hängt in Madrid im Prado mit den Maßen 104 x 131cm. Man geht davon aus, dass diese noch zu Lebzeiten von van Lint nach Spanien geliefert wurde.

 

Version zwei ist das „Vorabbild“ und hat das schnuckelige Format von 31 x 37cm. Es ist in der Rubenszeit gängige Werkstattpraxis eine auf Holz gemalte „Reinzeichnung“ zu erstellen. Damit hatte der Auftraggeber bzw. der Kunde die Möglichkeit sich ganz konkret vorzustellen, wie ihr fertiges Gemälde später einmal aussehen würde. Allerdings hatte der Auftraggeber für das Bild im Prado kleinere Änderungen vorgegeben und auf Figuren verzichtet, was uns zu Version Nr. 3 bringt. Version Nr. 3 hält sich genau an das „Vorabbild“ und weist dadurch sogar mehr Figuren auf: Hinter Jupiter sind noch einmal drei Personen zu sehen. Eine davon ist Kleopatra, wie sie sich gerade eine Schlange an die Brust hält um von dieser gebissen zu werden. Eine Verzweiflungstat, die selbstverständlich rein aus Liebe begangen wurde und zwar um ihren toten Geliebten Antonius.

 

Den stolzen Preis von 38.000 Euro hätte ein Käufer bereit sein müssen auszugeben. Ganz schön viel wenn man bedenkt, dass Peter van Lint ansonsten für viel, viel weniger gehandelt wird. Warum dann der hohe Preis? Über Peter van Lint ist kaum etwas publiziert, wobei vorliegendes Bild eine Ausnahme bildet. Es wurde immerhin im Rahmen eines Artikels über das Prado-Bild publiziert (Wer mehr darüber wissen will sollte es mal mit dem in niederländischen Sprache erschienen Artikel in Oude Holland, 2016, Vol. 129, S. 17-30 von Ineke Wolf, Twee schilderijen van Peter van Lint over Liefde en Vruchtbaarheid, versuchen).  Leider wird dies im Katalogtext des Auktionshauses nicht erwähnt ebenso wenig wie der Umstand, dass das Bild 1985 bereits bei Sotheby’s versteigert wurde. Stattdessen wird nur auf ein beiligendes Gutachten von 2013 verwiesen. Dabei sind doch gerade der Verweis auf Literatur und Provenienz zwei wichtige Argumente, auf die Käufer achten.