Dieses ganz entzückende Bildnis bei dem Kinder zu den Tönen einer Triangel tanzen ist am 11. Juli 2020 bei Nabécor Enchères in Nancy zum Aufrufpreis von 25.000 Euro zur Auktion gekommen:
GÉRARD DE LAIRESSE (Liege 1640 – Amsterdam 1711). Allegorie des Sens. Toile. 86 x 116 cm, restaurations anciennes. Trace de signature en bas à droite: G. Lair… f.
GÉRARD DE LAIRESSE (Lüttich 1640 – Amsterdam 1711). Allegorie der Sinne. Leinwand 86 x 116 cm, alte Restaurierungen. Spuren einer Signatur unten rechts: G. Lair…f
Wann kann man schon einmal sagen, daß ein Künstler als typisches stilistisches Merkmal ein Musikinstrument namens Triangel malt? Auf dieses schöne Merkmal hat der Auktionskatalog hingewiesen; und so wie die Kinder im Bild sich an den Händen gefasst haben, kann man sich gut vorstellen, wie sie zum Takt der Triangel tanzen. Aber nicht nur das; ausgelassen wie die Kleinen nun einmal sind hat der eine dem anderen ein Tuch über den Kopf gezogen. Ein feiner Hinweis auf den Seh-Sinn, das ja bekanntlich ohne Augen kaum möglich ist. Alles spielt sich in einer parkähnlichen Landschaft ab, ein Elysium, in dem es einen nicht überraschen würde wenn gleich Beethovens „Ode an die Freude“ erklingen würde. Formal könnte man das Bild auch nach Frankreich verorten, wär da nicht am rechten unteren Bildrand ein Stilleben bestehend aus Gefäßen aus Silber zu sehen. Typisch niederländisch eben.
Wer würde schon auf die Idee kommen, daß dieses Bild aus dem „Goldenen Zeitalter“ der niederländischen Malerei stammt? Rembrandt kennt in diesem Zusammenhang jeder, aber Gérard de Lairesse? Dabei sind die beiden Zeitgenossen gewesen und haben sich gegenseitig auch geschätzt. Vielleicht liegt es daran, dass Lairesse einen akademisch-historischen Malstil pflegte, den wir heute mit niederländischer Malerei allgemein nicht mehr in Verbindung bringen. Möglicherweise ist er auch deswegen in Vergessenheit geraten. Schade, denn sein Leben ist weit davon entfernt hübsch und brav verlaufen zu sein, auch wenn die Bilder danach aussehen. Seine Vita hat Höhen und Tiefen erlebt und ist ein Drama der ganz besonderen Art.
Folgende Darstellung gab Lairesse vor einem Rechtsanwalt ab, nachdem er angeblich einer jungen Dame die Ehe versprochen hatte:
Gérard de Lairesse war gerade aus dem Hause seines Vaters gekommen (…) um zum Arbeiten in seiner Kammer bei seinem Schwager, dem Advokaten Delbrouk, zu gehen (…). Er war gerade in die Straße getreten, als zwei ortsfremde Schwestern auf ihn zukamen, Marie und Catherine François, die die Stufen einer Schänke hinabstiegen, wo sie auf ihn gewartet hatten und vorgaben mit ihm sprechen zu wollen. Während die eine sich mit ihm unterhielt, schnitt die andere von hinten ihm mit einem Messer in die Kehle wobei sie den Kieferknochen traf, dann zog sie eine verborgene Klinge unter ihrem Taftgewand hervor, während die andere einen ebenfalls versteckten Dolch hervorholte. Um sein Leben zu schützen zückte Lairesse seinen Degen um sich zu verteidigen….
Dabei ersticht er eine der beiden Angreiferinnen. Zusammen mit einer weiteren Frau, die er später heiraten wird, flüchtet er aus der Stadt nach Utrecht.
Dabei ist Laresse nun wahrlich nicht mit Schönheit gesegnet. Kein Bild zeigt ihn als Adonis. Ganz im Gegenteil; attraktiv sieht anders aus. Doch das hindert Frauen anscheinend nicht daran ihn attraktiv zu finden. Hier sein wohl berühmteste Bildnis von der Hand Rembrandts:
Auf sein Aussehen angesprochen konnte Lariesse ziemlich ungemütlich werden, wie folgende Anektode erzählt, die in der Lebensbeschreibung von Arnold Houbraken über den Maler Emanuel de Witt vorkommt:
„Eines Abends kam Lairesse in das Wirtshaus, in welchem de Witt sass, nahm ein Stück Kreide und malte einige Linien auf den Tisch um sich über de Witt lustig zu machen, der auf seine Geometrie etwas hielt. Aber de Witt, der sich nichts gefallen ließ, skizzierte mit Kreide die Kanone auf den Tisch, mit welcher, wie er sagte, Lairesse die Nase abgeschossen wurde. Dies nahm ihm Lairesse übel und Emanuel kam nicht ohne eine Tracht Prügel nach Hause.“
Trotz dieser doch sehr „gewaltsamen“ Anektode schafft es Lairesse Bilder von Anmut, Grazie und Einfühlsamkeit zu schaffen, deren Ansicht einfach nur zauberhaft ist. Und dann das: Am Ende seines Lebens wird er blind und muß so die letzen 20 Jahre seiner Existenz zubringen; doch anstatt zu verzagen, aufzugeben, diktiert er ein Werk über die Grundlagen der Zeichnung und später noch ein 800 Seiten umfassendes Großes Malerbuch. Wäre er nun Beethoven gewesen, dann hätte man von einem Genie gesprochen bei so viel Schöpfungskraft. So hat man ihn nur vergessen, doch dabei ist gerade er ein Maler, den es wiederzuentdecken lohnt.