Figuren mit Turbanen und langen, kostbaren Gewändern; Kamele, Elefanten, Affen und Nashörner; in der venezianischen Malerei geht es oft exotisch zu. Kein Wunder, lag die Stadt mit ihren weitrechenden Handelsbeziehungen doch zwischen Orient und Okzident, saß also quasi an der Quelle für die Vorbilder für so viel morgenländisches Flair.
Eine besonders exotische Note wollte der Maler des unten vorgestellten Bildes einbringen als er gleich vier Kamele zusammen mit den Heiligen Drei Königen auftreten lässt. Je mehr desto besser, muß er sich wohl gedacht haben. Das Bild wurde vor kurzem bei Nabécor Enchères in Nancy unter folgender Bezeichnung versteigert:
Ecole Vénitienne vers 1700. Adoration des Mages. Toile. 57 x 94 cm.
Venezianische Schule um 1700. Anbetung der Könige. Öl auf Leinwand, 57 x 94 cm.
Sicherlich ein beeindruckendes, da figurenreiches Bild. Man weiß gar nicht wo zuerst hinschauen um all die sich gleichzeitig abspielenden Handlungen zu erfassen. Da sind zunächst einmal die Heiligen Drei Könige, die die Mitte des Bildes besetzten. Auf der rechten Seite ist die Madonna mit dem Kind, dahinter ihr Mann Joseph zu sehen. Wer die mit überkreuz dargestellt Beinen dasitzende Figur sein soll, bleibt allerdings ein Rätsel. Links hingegen tummeln sich insgesamt vier Kamele, die von ihren Treibern in Schach gehalten werden. Eigentlich recht interessant, diese Kamele. Probieren wir daher sie für einen kleinen „Gang durch die Kunstgeschichte“ nutzbar zu machen.
Das wohl berühmteste Bild der venezianischen Malerei mit Kamel stammt von Jacopo Tintoretto aus dem Jahre 1562 und ist „Die Bergung des Leichnahms des hl. Markus“ tituliert. Aufbewahrt wird es heutzutage in den Gallerie dell’Accademia zu Venedig. Ursprünglich stammt es aus der Scuola Grande di San Marco, die ihre Räumlichkeiten mit einem ganzen Zyklus aus dem Leben des Heiligen ausgeschmückt hatte.
Bilder mit Kamelen sind in der venezianischen Malerei recht groß geraten und so hat dieses Bild die beeindruckenden Maße von 398 × 315 cm. Tintoretto hat dem Tier eine ganz wesentliche Aufgabe gegeben: Es bildet ein kompositorisches Gegengewicht zur Architektur. Mit seiner Größe verdeckt es den heimlichen Abtransport des Leichnahms. Eigentlich war der Heilige durch die bösen Heiden, sprich die Moslems, schon zur Verbrennung auf dem Scheiterhaufen vorgesehen. Da, oh Wunder, zieht ein Sturm auf und der Leichnahm kann unbeschadet von zwei Zufällig vor Ort anwesenden venezianischen Kaufleuten gerettet. Die exotik des Ortes, wo sich das Geschehen abspielt, wird durch das Kamel verdeutlicht: Es ist Alexandria in Ägypten. Über die Architektur hätte man das nicht herausgefunden. Kein Wunder; die sieht aus, also ob man sich auf dem Markusplatz in Venedig befinden würde. Das Kamel verweist im übrigen darauf wie die Geschichte weitergehen wird. Die Kaufleute werden den Leichnahm wohl nicht selbst den ganzen Tag zum Hafen von Alexandria schleppen. In Kürze werden sie den Heiligen ihrem vierbeinigen Gefährten, dem Kamel, „aufbürden“.
Überraschenderweise ist der Einsatz des Kamels als „Kulissentier“ in der venezianischen Malerei höchst begrenzt. Neben der Markus-Legende findet man es eigentlich nur noch im Motiv von der Anbetung der Heiligen Drei Könige. Die schönste Darstellung zu diesem Thema stammt von Paolo Veronese, das 1573 entstand und sich seit 1855 in der National Gallery in London befindet. Auch die Größe von 355 x 320 cm lässt erneut aufhorchen. Es steht dem Bild von Tintoretto in nichts nach, auf wenn es dieses Mal für einen Altar bestimmt war:
Was für eine Komposition! Die Blick des Betrachters wird vom Boden wo zwei der Könige knieen dargestellt sind, zur Madonna gelenkt. Dort wird unsere Aufmerksamkeit von einem von links kommenden Lichtstrahl in göttliche Höhen abgelenkt. Hinterfangen wird das ganze von einer beeindruckenden Kulisse antiker Ruinen, in die ein einfacher, bescheidener Stall eingebaut ist. Das ganze erinnert mehr an eine Theaterkulisse als an den Ort der Verkündigung. Das Kamel muß man ein wenig suchen, befindet sich aber mit erhobenen Kopf hinter dem Schimmel und wird gerade von einem Knecht gezüchtigt. Abgesehen davon, daß das Bild von einer Unzahl von Personen bevölket wird, bilden am linken Rand der aufrecht stehende König Melchior und ein Trupp Reiter das Gegengewicht zur Madonna mit dem Kind, ihrem Mann und den Hirten. Von der Komposition kommt es dem Bild in Nancy schon recht nahe, allerdings befinden wir uns hier noch im falschen Jahrhundert, wobei wir einen ziemlichen Sprung machen müssen.
Das 18 Jh. in der venezianischen Malerei gilt als würdiger Nachfolger des 16. Jh., wobei kompositorische Ideen aus vergangener Zeit neu aufgegriffen werden. Zu ihnen gehört Giovanni Battista Pittoni (1687 – 1767), der sich wohl an Verones ein Beispiel nahm, als er seine Anbetung malte, die bis heute in der Kirche der hll. Nazarius und Celsus in Brescia aufbewahrt wird. Es hat die beeindruckenden Maße von 420 x 260cm und entstand ca. 1740.
Wie man sehen kann, hat Pittoni die Komposition Veroneses in wesentlichen Teilen übernommen. Wichtige Änderungen betreffen allerdings den Bildaufbau. Hatte Veronese eher an ein Querformat bei seiner Darstellung gedacht, so denkt Pittoni horizontal. Dies hat zur Folge, daß die Figuren enger zusammengerückt wurden und die Szene dadurch komprimiert wurde. So sitzt Joseph jetzt rechts unten während Melchior die Szene links oben dominiert und sogar die Madonna mit Kind überragt. Damit das aber nicht so auffällt erhebt sich neben der Madonna eine Säule, die nach oben strebt und sich in Wolken verliert. Übrigens ein beliebtes Darstellungsmittel in der venezianischen Malerei seit Tizian. Und was macht unser Kamel? Unser Kamel ist zwar nur klein, dafür aber recht auffällig im Hintergrund platziert und zeichent sich deutlich vor dem blauen Hintergrund und der Architekturkulisse ab. Immerhin ist der Kopf des Tieres vom Betrachter aus nach rechts gewendet und zeigt damit schon einmal in die richtige Richtung, was unser Bild betrifft.
Der Trend geht definitv zum Zweitkamel; jedenfalls hat sich dies Giambattista Tiepolo wohl so gedacht als er das Bild „Rebekka am Brunnen“ malte, das auf 1720-25 datiert wird. Die Darstellung der beiden Kamele ähnelt doch recht stark dem Bild in Nancy, was die Darstellung im Profil und en face angeht:
Wie bei Tiepolo überragen die zwei Kamele auch hier die Komposition. Da kann der Kameltreiber noch so schwungvoll daherkommen; gegen die beiden kommt er nicht an.
Die Datierung des Bildes lässt sich allerdins noch ein wenig mehr hinausschieben. Dank Pittonis Altarbild sind wir bereits bei 1740 angelangt, doch kommen wir nochmal auf Tiepolo zurück. Es hat bei ihm länger gedauert sich mit dem Thema der Heiligen Drei Könige auseinander zu setzten. Erst bei seinem Aufenthalt in Würzburg, der von 1751 bis 1753 geht, setzt er sich erstmalig greifbar für die Kunstgeschichte mit diesem Thema auseinander. Dabei greift er auf bewährte Vorbilder zurück, interpretiert diese aber dann doch recht eigenwillig.
Natürlich kommt auch dieses Bild nicht klein daher und mit 408 x 210cm nimmt es an der Wand schon ziemlich viel Platz ein. Ursprünglich für die Klostekirche in Münsterschwarzach in Franken bestimmt, gelangte es nach Abriß der Kirche in die Pinakothek nach München.
Tiepolo behandelt das Thema der Heiligen Drei Könige anders als seine Vorgänger. So ändert er die Perspektive: Hatten die drei stets frontal zum Betrachter agiert, so sind sie nun von schräg rechts zu sehen. Das Gesicht von Melchior ist schon fast gar nicht mehr zu erkennen, was aber auch nicht weiter schlimm ist. Als Figur ist er mit seinem großen roten Turban dominant ins Bild gesetzt. Die übrigen zwei Könige sind dafür näher an die Madonna herangerückt, drängen sich quasi an sie heran. Dies verleiht der ganzen Darstellung einen bisher unbekannten Grad von Initmität.
Was hat nun unser Maler aus all diesen Vorbildern gemacht? Nun, er hat sich die Szenen herausgepickt, die für ihn interessant waren. Daraus hat er sich dann seine Komposition zusammengestellt. Das Bild ist also eklektizistisch, um es mit einem Fachausdruck zu belegen. Dies lässt immerhin eine Datierung des Bildes zu. Da der letzte Hinweis auf eine kompositorische Übernahme auf Tiepolo hindeutet, ist eine Datierung in die zweite Hälfte des 18. Jh. wahrscheinlich.
Doch kommen wir zurück auf die kompositorischen Übernahmen. Fangen wir beim Format an: Da es sich um ein Querformat handelt, ist Veronese als Vorbild zum Zuge gekommen. Die Szene ist mehr oder minder frontal zum Betrachter ausgelegt. Wie bei Verones gibt es einen Schwerpunkt der Komposition am rechten und linken Bildrand nicht zuletzt um damit die Architekturszenerie auszugleichen. Die Kamele am linken Bildrand erinnern an Veroneses Gruppe von Pferden mit Reitern, die der Maler hier nur ausgetauscht hat. Gelassen hat er allerdings den mit einem Schlagstock ausholenden Kameltreiber.
Von Pittoni wurde der Heilige Joseph als Sitzfigur am Rande der Stufen übernommen, auch wenn nicht ganz klar ist warum. Er wurde lediglich zu einer „Betrachterfigur“ degradiert. Ebenfalls übernommen wurde die auf den Stufen stehende flache Schale gefüllt mit Gold sowie die ebenfalls dort liegende Königskrone.
Von Tiepolo wird eine bisher ungekannte „Intimität“ in der Interaktion der Heiligen Drei Könige mit dem Christuskind und der Maria übernommen. Höchstwahrscheinlich stammt auch daher die Idee Joseph wieder hinter seiner Frau zu plazieren wie es schon bei Veronese zu sehen war. Unübersehbar ist aber vor allem die Übernahme von zwei der vier Kamele aus dem Bild „Rebekka am Brunnen„.
Fazit
Können wir angesichts der vielen kompositorischen Verweise etwas näheres über den Maler sagen? Das Bild mit einem Namen eventuell belegen? Leider eher nein. Die Hinweise sind zu wage und so kann es nur bei einer summarischen Zuschreibung bleiben. Und trotzdem handelt es sich hier um eine höchst eigenwillige, selbstständige Komposition. Die Kamele bilden ein wichtiges, eigenständiges Element innerhalb des Bildes und sind nicht nur lediglich exotische Zutat. Damit nähert sich das Bild Tintoretto und dessen „Bergung des Leichnahms des Heiligen Markus“ an, wo das Kamel den Leichnahm des Heiligen verdeckt und somit dem Blick der Heiden entzieht, womit sich ein Kreis schließt. Der Maler hat seine Kamele mit Charakter versehen, insbesondere wenn sich ganz im Vordergrund eines davon mit seinem langen Hals hinunterbeugt um skeptisch die vor ihm kauernde Figur zu betrachten. Es sind gerade solche Details die es lohnenswert machen das Bild genauer zu betrachten und sich damit zu beschäftigen.