In den Jahren 2018 – 2021 wurden über französische Auktionshäuser angeblich die Portaits der Familie Bégé verkauft.
Zuletzt wurde vorliegendes entzückendes Damenportrait beim Hotel des Vents Giradeau in Tours am 15.01.2021 versteigert:
École Française XIXe.
Portrait de Virginie LUPIN, femme du préfet Achille François BEGE.
Huile sur toile.
129,5 x 98 cm.
(petit accident en partie inférieure et restaurations).
Französische Schule des 19. Jh.
Portrait de Virginie LUPIN, Frau des Präfeketen Achille François BEGE, Öl auf Leinwand, 129,5 x 98 cm (kleinere Fehlstellen unteren Teil und Restaurierungen)
Schaut man sich um, was man noch unter dem Namen Bégé so finden kann, dann stößt man auf ein Portrait, das bereits zwei Jahre zuvor versteigert wurde und zwar bei einem Pariser Auktionshaus. Auch dort hatte das Bild keine Zuschreibung zu einem Künstler, nur eine allgemeine Zuschreibung als französische Schule des 19. Jh:
Achille – François BEGE (1794 – 1844) fut Maître des requetes au conseil d’Etat; préfet des Pyrénées- Orientales (1832 – 1833), de l’Hérault (1833 – 1835) de Haute -Garonne (1835 – 1837), de l’Eure (1837 – 1838) de l’Hérault (1838 – 1841)…
Achille – François BEGE (1794 – 1844, ehemaliger Staatsrat; Präfekt der Départements Pyrénées-Orientales (1832-1833), des Héraults (1833-1835), der Haute-Garonne (1835-1837), von Eure (1837-1838), des Héraults (1838-1841) ….
Ein schönes Paar, nicht wahr? Beide schauen so jung und gut aus, als wie für einander geschaffen. Ach, es hätte mit den beiden alles so schön sein können. Doch grausam wie die Realität so ist, ist die Zuschreibung zumindest an ihn frei erfunden.
Schon einmal verkauft
Ein paar Jahre war das Bild unter ganz anderem Namen angeboten worden. Damals wurde der Dargestellte als CASIMIR PIERRE PERIER, Präsident der Abgeordnetenkammer und von 1831 bis 1832 Innenminister von Frankreich, präsentiert. Eine richtig hohe Persönlichkeit also, die wir da von Angesicht zu Angesicht anblicken. Zugeschrieben war es damals an den Maler Charles Paulin Matet aus Montpellier (1791 -1870).
Warum es sich um Casimir Périer handelt
Die Frage ist ganz einfach zu beantworten: Weil er in der Hand eine Schriftrolle hält, die seinen Namen trägt. So einfach ist das. Der zu entzifferende Text lautet:
Discours de Casimir Périer
Und dieser „discours„, also Vortrag, hatte einige Bedeutung für Périer. Es ist seine 1831 gehaltene Antrittsrede vor der französischen Abgeordnetenkammer. Darin geht es um Frieden in Europa und um ein freies, unabhängiges Frankreich. Und nebenbei um die Verteidigung der Monarchie, was natürlich auch nicht schlecht ist, wenn man unter den gegebenen Verhältnissen eine Karriere machen will. Der Vortrag muß allerdings schon für die damalige Zeit außergewöhnlich gewesen sein, wenn man darüber bis in die heutige Zeit noch schreibt.
Und wem das zur Idenitifikation noch nicht reicht, der soll sich nur das weiter unten abgebildete Portrait anschauen, das Périer eben mit dieser Schriftrolle in der Hand ein weiters mal zeigt.
Das Problem dabei ist, das Périer den Vortrag erst als Mensch im fortgeschrittenen Alter gehalten hat, sprich er war ein „alter Knacker“ von weit über 50 Jahren. Heutzutage würde man sagen, daß sei ja kein Alter, aber zu Beginn des 19. Jh. darf das schon als „alt“ gelten. Auf dem ganz zu Anfangs gezeigten Bild jedoch sieht er aus wie Anfang / Mitte zwanzig. Der Maler hat ihn also schon ganz schön verjüngt. Zum Vergleich das andere wohl nach 1831 entstandene Bildnis, das wohl eher an die Realität herankommt:
Hier kommt sein Alter von 50 Jahren schon viel besser zur Geltung. Auch trägt er hier gemäß seines Standes einen Rock mit den Insignien eines „Pair de France„, und damit den höchsten Titel, den die französische Monarchie einem Politiker vergeben konnte. Gut zu sehen ist die monarchische Gesinnung von Périer an den aufgestickten Bourbonen-Lilien am Ärmel. Gemalt hat das Bild Louis Hesent im Auftrage Napoleon III für die Galerie des Schlosses von Versailles.
Als Persönlichkeit war er im ganzen Land bekannt und so trifft man auf noch viel mehr Darstellungen von Périer, insbesondere Kupferstiche, die dazu beitrugen sein Konterfei zu verbreiten. Selbst eine Terrakotta-Büste wurde von ihm angefertigt. Ein Bild passt dabei recht gut zum „jungen“ Périer und bringt uns ein wenig näher an das hier vorgestellte Bild:
Dramatisch nach oben gekämmtes Haar, der Blick entschlossen in die Ferne gerichtet und die Hand auf`s Herz: heroische Posen scheinen bei Périer angesagt zu sein. Wie dem auch sei: Man beachte die aufwendigen Stickereien an der Jacke und den prächtigen Säbel an der Seite, die auch später wieder auftauchen. Nur die Schriftrolle in der Hand fehlt dieses mal, doch dafür liegen nicht näher zu identifizierende Papiere auf einem Tisch neben einem Dreispitz.
Wie man sieht, existieren mehrere „Typen“ als Bild von Casimir Périer. Ob jung oder alt, auf alle Fälle ist er immer erfolgreich dargestellt. Diese Zeichen werden deutlich nach außen kommuniziert; sei es durch die Orden, die er trägt, sei es mit der Schriftrolle oder seinem Rock, der ihn als Pair de France auszeichnet.
Warum wurde die Zuschreibung geändert?
Eine gute Frage: Warum hat man es überhaupt nur ansatzweise in Betracht gezogen den Namen der Dargestellten Person wider besseren wissens zu ändern? Ein Grund könnte sein, daß das Bild schon einmal auf einer Auktion gelandet war und dort nicht verkauft wurde. Damit war es in einschlägigen Datenbanken gelistet und für einen weiteren Verkaufsversuch „verbrannt“. Einen neuen Namen zu finden und dann das Bild sozusagen wieder jungfräulich zu machen, könnte als Motivation dahinter stecken. Deswegen wurde dann auch die Zuschreibung an Charles Matet kassiert und lieber „Französische Schule des 19. Jh“ draus gemacht.
Auch wurde vor dem Verkauf das Bild nochmals „aufgemöbelt“. So wurde der „altväterliche“ barockisierende Rahmen entfernt und ein neuer, mehr der ersten Hälfte des 19. Jh. passender angeschafft:
Bild: Couteau – Bégarie, Paris
Der Unterschied zu vorher ist kaum zu übersehen und lässt das Bild gleich ganz anders aussehen:
Das alles hätte dann auch beinahe geklappt, doch irgend ein Kunstkenner hat das Bild erkannt und es bei wikipedia commons erneut unter dem Maler Charles Matet eingestellt. Und dort kann man das Bild jetzt „doppelt sehen“ und muss nicht einmal dafür betrunken sein. Nur, daß das gleiche Bild jetzt zwei ganz unterschiedliche Personen darstellen soll. Das ist mal eine „Persönlichkeitsspaltung“ der ganz anderen Art!
Und noch ein „Trick“ wurde beim Verkauf angewendet: Ursprünglich gab es einmal ein Pendant zu dem Bild, und zwar von Madame Périer. Und wie man auf den ersten Blick sehen kann, hat es einen ähnlichen Rahmen wie das Bild ihres Mannes:
Das Bild ist seitdem nicht mehr auf einer Auktion aufgetaucht. Aus gutem Grund: Laut dem Auktionshaus aus dem Jahr 2003 ist das Bild von Charles Matet signiert und auf 1840 datiert worden. Damit ergibt sich auch für das Bild von Herrn Périer eine Datierung in den gleichen Zeitraum. Da war allerdings Herr Périer aber bereits schon mehrere Jahre tot.
Das Bild als „momentum mori“
Somit haben wir es bei ihm um posthumes Portrait zu tun, was natürlich einiges erkären hilft. Im Bild wird sozusagen ein junger Casimir Périer beschworen, der allerdings schon den Status des erst viel später erworbenen „älteren“ Périer besitzt. Darum hält er auch schon dessen „Errungenschaften“ wie seine Rede, die man als Mann reiferen Alters gehalten hat, in der Hand hält.
Als Maler mußte Charles Matet improvisieren. Da er den Dargestellten nicht persönlich in Augenschein nehmen konnte und gleichzeitig ein „Jugendportrait“ erstellen sollte, mußte er sich wohl oder übel sich auf bildliche Vorlagen verlassen. Höchstwahrscheinlich hat er dabei Bilder und Stiche aus unterschiedlichen Lebensjahren des Dargestellten verwendet. Kein Wunder also, daß sein Bild am Ende eine Mischung daraus geworden ist. Selbstverständlich wurde auch Madame Périer „verjüngt“ um an der Seite ihres Gemahls nicht „alt“ auszusehen. Wer der Auftraggeber der beiden Bilder gewesen ist und warum ein Maler aus Montpellier den Staatsmann nochmals darstellte, muß allerdings ungeklärt bleiben.
Und hier komme ich wieder auf das zu Anfangs erwähnte Portrait von Madame Bégé zurück: Ein schönes Bild, doch leider wird sie auch noch eine ganze Zeit lang ohne Ehepartner an ihrer Seite zubringen müssen. Dabei sollte es eigentlich schon im Bereich des Wahrscheinlichen liegen, daß ein Portrait ihres Mannes eines Tages wirklich mal auftauchen sollte. Immerhin ist in Montpellier eine Straße nach ihm benannt, was ja den meisten von uns durchaus verwehrt bleiben wird. Es ist also noch Hoffnung da. Warten wir es ab.