Bei der Altmeisterauktion von Christie`s in New York, die Online stattfand und am 07. Oktober zu Ende ging, ist für jeden etwas dabei: Vorsichtige Abschreibung, sportliche Zuschreibungen und namenlose Gemälde;
Vorliegendes Gemälde hat zwar eine Zuschreibung, doch keinen Titel, sondern nur eine summarische Beschreibung:
Lot 106
G. VITELLI, CIRCA 1800
A family portrait, with a bust, in a garden, with an erupting volcano beyond
signed ‚G. VITELLI‘ (lower left, on the urn)
oil on canvas
681⁄4 x 565⁄8 in. (173.2 x 144 cm.)
Gibt man den Namen des Malers im Internet ein, ist leider kein Werk von ihm zu finden, weswegen wir uns am besten ersteinmal mit der Darstellung beschäftigen:
Hoch auf einem Sockel steht die Büste einer Statue im Profil, die von einem Lorbeerkranz bekrönt wird. Den Lorbeerkranz hält ein junges Mädchen. Eindeutiger kann man einen verstorbenen Herrscher wohl kaum die Honneurs erweisen.
Dem lorbeerbekränzenden Mädchen gegenüber steht ein modisch gekleideter junger Mann, der einen Griffel in der Hand hält und eine Mappe, die wohl Zeichnungen enthalten. Beide flankieren die Statue sowie das in der Mitte auf einem kostbaren Seidenkissen sitzende Kind. Dort thront es auf einer marmorneren Bank, während alle anderen um es herumstehen.
Nimmt man diese beiden Elemente zusammen, also verstorbener Herrscher und Kind, welches als very important person inszeniert wird, dann schreit die ganze Szene schon nach: „Schau mal, wen ich hier als Herrscher irgendwann einmal beerben werde!“
Somit wäre schon einmal geklärt, daß es sich hier um ein Bild von königlicher Herkunft handelt, doch welches Herrscherhaus? Da gibt es ja eine ganze Menge von. Nun, die Landschaft gibt uns dazu den Hinweis: Im Hintergrund ist ein Berg auszumachen, aus dem es brodelt und kocht. Da es sich dabei nur um einen Vulkan handeln kann und es nur einen Vulkan gibt, der einst als Wahrzeichen einer europäischen Hauptstadt fungierte, haben wir den Vesuv und den Golf von Neapel vor uns.
In Neapel regierten im 19. Jh. die Bourbonen, wobei der Herr auf der Statute längere Haare trägt und daher aus einer anderen Epoche zu stammen scheint, wo „Zöpfe“ und „Perücken“ noch in Mode waren. Bei so einem Herrscher „alter Schule“ handelt es sich um Ferdinand I, König beider Sizilien (1751-1825).
Woher ich dies weis? Nun, zum einen sind die Züge des Herrschers mit seiner markanten Hakennase sofort recht gut zu erkennen, zum anderen ist der Kopf die getreue Kopie einer Darstellung des Monarchen, die der Bildhauer Antonio Canova in Terakotta ausführte. Und da Canova ein ziemlich großes Faible für die griechisch-römische Antike hatte, ist Ferdinand deswegen auch in Toga dargestellt. Dies hat der Maler für das Bild eins zu eins übernommen:
Der kleine Kerl im Bild ist natürlich nicht sein Sohn, sondern sein Enkel. Es handelt sich hier um den 1810 geborenen Ferdinand, der ab 1830 bis 1859 als König Ferdinand II beider Sizilien war. Die beiden Mädchen zur linken des Betrachters sind seine Schwestern, wobei es sich bei der Stehenden um Luisa Carlotta von Bourbon-Sizilien (1804-1844), Infantin von Spanien, handelt. Ihre am Boden sitzende jüngere Schwester ist Maria Christina von Bourbon-Sizilien (1806-1878), zukünftige vierte Ehefrau von Ferdinand VII von Spanien. Wer der adrett angezogene Junge aus gutem Hause zur rechten des Betrachters ist, muß leider dahingestellt bleiben.
Mit der Identifizierung der Personen kann man sich nun an eine Datierung des Gemäldes wagen. Geht man einmal davon aus, daß der kleine Ferdinand im Alter von 2-3 Jahren portraitiert wurde, seine Schwestern damit sechs bzw. neun Jahre alt sind, dann wäre das Bild um 1812-1813 entstanden.
Diese Datierung kann so schlecht gar nicht sein, denn es gibt ein weiteres Bild auf dem alle Mitglieder der könglichen Familie zu einem späteren Zeitpunkt alle nochmals abgebildet wurden und zwar 1820 zum 70. Namenstag des Herrschers. Das Bild befindet sich im Museo di Capodimonte in Neapel. Allem Anschein nach stand dafür das hier besprochene Bild von der Komposition her Pate:
Fehlt nur noch einen Maler für das vorliegende Bild zu bennen. Und da wird es schwierig. Leider lässt sich die Signatur auf den von Christie´s vorgelegten Abbildungen nicht entziffern. Trotzdem ist es gut möglich, daß der Name richtig gelesen wurde, denn so gibt es eine Reihe von Hofmalern, deren Namen uns relativ unbekannt geblieben sind und kaum einmal mit einem Werk auftauchen. Ja, es mag durchaus erstaunen: Obwohl solche Maler meist hochdekorierte und respektable Ämter innehatten, sind sie der Kunstgeschichte ziemlich unbekannt geblieben. Dabei bildet vorliegender G. Vitelli keine Ausnahme.
Das Bild wurde für US-$ 15,000 zugeschlagen. Für ein wichtiges historisches Bild nicht zu teuer.