Für den Liebhaber italienischer Kunst mag die Malerei der Spätgotik in der Toskana auf der Beliebtheitsskala nicht unbedingt weit oben stehen. Ihre Fans sind eher rar gestreut, und doch erzielen Arbeiten aus der Zeit des 15. Jh. erstaunliche Preise. Ansonsten hätte vorliegende, Taddeo di Bartolo zugeschriebene hl. Luzie, wohl kaum €37.000 bei Tajan in Paris gebracht. Doch was wäre, wenn das Bild gar nicht aus dem 15. Jh. wäre, sondern erst viel später entstanden ist?

 

Abb: Tajan Auktionen, Paris

 

Taddeo di BARTOLO (Sienne 1362/1363-1422)

Saint Lucy, altarpiece panel, egg painting and gold background on poplar panel, one plank, non-craddled
41 x 31 cm – 16,1 x 12,2 in.

 

Abgesehen von diesen kurzen, technischen Angaben hat das Auktionshaus auch noch eine fast drei DinA4 Seiten umfassende Beschreibung des Bildes abgeliefert, die durchaus plausibel klingt und mit viel Sachverstand und Verweisen auf andere Bilder des Meisters verfasst wurde. Am Ende ist auch eine lange Literaturliste angegeben. Beeindruckend, allerdings verweist die angegebene Literaturliste nicht auf das Bild. Und das ist der springende Punkt: Es ist ein Katalogtext und kein Gutachten, was ein wenig die Alarmglocken schrillen lassen sollte. Zwar erwirbt man ein Bild, doch ist keine Garantie gegeben, daß was dort geschrieben steht richtig ist geschweige denn, daß es sich um einen Taddeo di Bartolo handelt.

 

Falls Sie den ganzen Katalogeintrag lesen wollen, dann ist hier die Beschreibung auf der Seite des Auktionshauses zu finden, ich werde mich an dieser Stelle mit Auszügen begnügen, die mir aufgefallen sind:

 

Lot – Taddeo di BARTOLO (Sienne 1362/1363-1422) (tajan.com)

 

Lassen sie mich eins feststellen: Ich möchte nicht besserwisserisch klingen – und jetzt kommt das berühmte aber – man muss manchmal eben auch „das Kleingedruckte“ aufmerksam lesen um sich kritisch mit einem Bild auseinander zu setzten – und dazu braucht es nicht einmal besondere kunsthistorische Vorkenntnisse nötig, sondern nur den eigenen Verstand.

Die Bestimmungsorthypothese

Eigentlich spricht man, wenn man die Herkunft eines Bildes angibt, von Provenienz. Und tatsächlich:  Das Bild ist in einer französischen Privatsammlung seit wohl ungefähr Mitte des 19. Jh. nachweisbar. Weiter unten im Text wird dann allerdings auf französisch von einer „hypothes de destination„, also einer „Bestimmungsorthypothese“ gesprochen. Interessantes Wort und soll soviel heißen wie: Wir wissen zwar nicht wo das Bild all die Jahrhunderte war, doch wir haben da einen Verdacht. Und so wird eine Quelle aus dem 18. Jh. (Giocomo della Valle, Lettere sanesi sopra le belle arti, 1785) herangezogen um dies zu untermauern.

 

Della Valle berichtet über einen Altar von Taddeo di Bartolo in der Sieneser Kirche von San Francesco. Der Altar wurde zu Beginn des 19. Jh. in einzelne Teile zerlegt und dann verkauft. Della Valle erwähnt den Altar recht ausführlich und kommt sogar auf dessen Rückseite zu sprechen, wo es auch Figuren gegeben hätte, die allerdings nicht so gut ausgearbeitet gewesen sein sollen wie auf der Vorderseite. Er beschreibt insgesamt 12 Heilige von dieser Altarrückseite; eine hl. Luzie erwähnt er allerdings nicht. Die Autoren des Katalogtextes bedienen sich daher eines „Tricks“ und behaupten ganz einfach mal so, daß della Valle nur „vergessen“ habe alle Heiligen zu erwähnen. Eine ziemlich dünne Theorie um eine Provenienz aufzustellen, aber darum hat man ja das schöne Wort Bestimmungsorthypothese erfunden.

Der Stilvergleich

Doch wie kommt man darauf, daß das Bild mit dem Altar in San Francesco überhaupt in Zusammenhang stehen könnte? Und hier kommt der berühmte Stilvergleich zum Tragen: Der Autor hat die Heilige mit einem kunsthistorisch abgesicherten Bild aus dem Altar von San Francesco verglichen und Übereinstimmungen gefunden. Aber das hat ein Stilvergleich so an sich: Irgendetwas gemeinsames findet man immer. Allerdings war der Autor sich zum Schluß dann doch nicht so sehr sicher, ob das alles so stimmt, was er da geschrieben hat, denn er schreibt kurz bevor er zu seiner „Herkunftshypothese“ kommt: l’absence d’ornementation du fond d’or et le dessin de l’auréole, qui est différent, l’en exclut. Sprich: Das Nichtvorhandensein von Ornamentik und die unterschiedliche Darstellung des Heilgenscheins schließen einen Zusammenhang aus. Wer hätte das gedacht. Schade, daß der Katalogtext es dabei nicht hat bewenden lassen.

 

Heiligenscheine und Punzen

Die Kunstgeschichte hat sich seit je her auf den sogenannten Stilvergleich gestürzt, wenn es darum geht einen Autor für ein Bild zu finden. Ornamentik und Heiligenschein haben daher nie eine ernsthafte Rolle gespielt. Sie sind zwar nettes Beiwerk, aber mehr auch nicht. Und das ist falsch. Sie benötigen nämlich genauso viel Feingefühl und handwerkliches Geschick wie die Malerei; gute Aureolen sind ein Meisterwerk an sich und eigentlich nur von Personen ausführbar, die sich ziemlich lange damit schon beschäftigt haben.

 

Falls Sie sich noch nie mit der Entstehung von Heiligenscheinen auseinandergesetzt haben, hier ein Schnellkurs:

 

Zuerst wird auf einer Pappelholztafel ein Kreidegrund aufgetragen, dann wird vergoldet. Bevor überhaupt eine Figur gemalt wird, wird ihre Position auf der Tafel festgelegt. Mit einem Zirkel werden kreisrunde Linien dort gezogen, wo später der Kopf hinkommt. Je wichtiger  und größer die Figur (z.B. Christus) ist, desto mehr Aufmerksamkeit wird in die Entstehung der Aureole investiert; diese können dann schon recht komplex werden, mit vegetabilen Mustern oder verziert durch verschiedene sog.  Punzen, die ihrerseits verschiedene Muster aufweisen können. Um es kurz zu machen:  Heiligenscheine zu machen ist ein ziemlich zeitaufwändiges und kompliziertes Verfahren, was nicht mal auf die Schnelle und schon gar nicht von irgendjemand ungeübten erstellt werden kann. Man bedenke einmal nur, wenn man sich schon mit dem Zirkel vertut und den Kreis nicht richtig rund hinkriegt: Ist die Linie mal im weichen, mit Gold überlegten Kreidegrund drin, dann kann man da nichts mehr wegmachen. Man hat nur einen Versuch und der muß sitzen. Eine Arbeit für Profis und dann kommt so etwas wunderschönes heraus, wie bei der Madonna mit Kind, deren Aureole aus mehreren Kreisen aufgebaut ist, wobei Punzen und ein florale Formen den Dekor bilden:

Taddeo di Bartolo, Madonna mit Kind, Musée du Petit Palais, Avignon; Bild: Wikimedia commons

 

 

Natürlich geht es auch einfacher, etwa wenn es sich um ein weniger wichtigieres Bild handelt, etwa in einer Predella: Hier hat man als Dekor lediglich einen sogenannten Punktstempel verwendet.

 

Taddeo di Bartolo, Predigt des hl. Franziskus; Bild: Wikimedia commons

 

 

 

Das nun verkaufte Bild hingegen hat dies noch einmal unterboten. Die Darstellung der Aureole ist nicht einfach, sondern fast schon primitiv zu nennen. Anstatt des Dekors hat man in die Aureole lediglich grob Linien eingeritzt. Das ganze ist freihand erfolgt, denn die Punktierungen um den Heiligenschein herum weist leichte Dellen auf, sie ist also nicht perfekt kreisrund geworden. Sprich: Das ganze sieht ein wenig dilettantisch aus.

Der Rahmen

 

Der Rahmen ist das wohl wichtigste Merkmal eines gotischen Tafelbildes und ein integraler Bestandteil von diesem. Für gewöhnlich hat ihn jedes Bild, so unbedeutend es auch auf das Ganze gesehen sein mag. Wie das aussieht, kann man hier sehen:

 

Taddeo di Bartolo, Hl. Sebastian: Bild: Wikimedia commons

 

Der Rahmen umschließt das Bild quasi wie ein Schutzschild. Und wäre das noch nicht genug, so ist eng um den Kopf ein Dreipass gelegt, so daß der arme Kerl recht eingeengt ist. Sollte dieser Rahmen im laufe der Jahrhunderte verloren gehen, dann würde man das ebenfalls merken da der Goldgrund nicht unter dem Rahmen weiterverläuft, sondern darüber hinweg. Entfernt man den Rahmen, bleibt das nackte Holz zurück:

 

Taddeo di Bartolo, Madonna mit Kind, Musée du Petit Palais, Avignon. Bild: Wikimedia commons

Eine Fälschung?

Wie man sieht ist Platz ein wichtiger Faktor bei einem gotischen Tafelbild. Vielleicht hat es etwas mit der Angst des Malers vor einem leeren Hintergrund zu tun. Bei dem bei Tajan in Paris verkauften Tafel handelt es sich aber nur um eine quadratische Tafel mit Goldgrund ohne irgendetwas drumherum. Kein Ansatz für einen verlorengegangenen Rahmes ist auch nur ansatzweise zu sehen. Auch hat man nicht den Eindruck, daß die Tafel in einem spitzen Bogen zulaufen würde, wie für ein Bild der Gotik in Italien es typisch wäre.  Nun kann man natürlich einwenden, daß die Tafel ja schon mit der Aureole abgeschnitten wurde, doch dann würden man trotzdem noch Reste eines zulaufenden Spitzbogens entdecken.

 

Doch was spricht eigentlich gegen die Tafel, so daß sie eventuell gar nicht aus dem 15. Jh. stammt? Gotische Tafelbilder zu fälschen ist mit Aufwand verbunden und erfordert großen Sachverstand. Daher sind auch kaum Fälschungen bekannt geworden, und diejenigen, die man kennt, wurden alle ausnahmslos im 19. Jh. in Italien hergestellt. Seitdem hat sich keiner mehr richtig an das Thema herangewagt.

 

Natürlich kann ich mich in meinen Ausführungen täuschen. Doch die dilettantische Ausführung des Heiligenscheins und jegliches Fehlen eines Rahmens lassen jedenfalls bei mir starke Bedenken aufkommen. Ob diese berechtigt sind, kann allerdings nur eine naturwissenschaftliche Analyse eindeutig klären. Wäre ich der Käufer und hätte 37.000 Euro investiert, ich würde diesen Zweifel unbedingt ausräumen wollen.