Manche Beschreibungen sind einfach unergründlich, wie hier beim Auktionshaus Kendzia: UNBEKANNTER KOPIST nach Tizian „Kinderportrait“, Öl/Leinwand, auf Platte montiert, 16.Jh., in dekorativem Renaissancestilrahmen, 35,3×30,4cm (m.R. 66,5×41,5cm), rest.:
Anscheinend war man ein wenig ratlos und hat sich an das erstbeste Reniassanceportrait eines Kindes gehalten, welches den Auktionatoren über den Weg gelaufen ist. Und anscheined muß das ein Tizian gewesen sein. Ein guter Kandidat, den man beim Schreiben dieser Auktionsbeschreibung wohl vor Augen hatte ist dieses Bild:
Aufbewahrt wird das Bild, welches Clarissa Strozzi zeigt, in der Gemäldegalerie in Berlin. Allerdings sieht man schon auf den ersten Blick das beide Bilder wohl nichts miteinander zu tun haben.
Nun ja, auf beiden Gemälden ist ein Kind zu sehen. Und tatsächlich kann man Gemeinsamkeiten finden; etwa die kess in die Stirn fallende Locke oder die großen, dunklen Augen – doch damit erschöpfen sich eigentlich schon die Gemeinsamkeiten. Mehr aber auch nicht. Es wird daher Zeit sich ein anderes Vorbild zu suchen.
Nun sieht das Brustbildnis stark nach einer hochgestellten Persönlichkeit aus, denn ansonsten würde die Kleine nicht ein derart kostbares Perlenhalsband tragen. Möglicherweise ist sie sogar von adeliger Herkunft. So gibt es im Italien des 16. Jh. insbesondere einen Fürstenhof, der sehr auf Repräsentation wert legte und internationale Verbindungen pflegte: die Medici.
Ein Maler, der gefühlt nur für die Medici malte, war Santi di Tito. Und wenngleich wir nicht genau wissen, welche Portraits von dieser Familie er eigentlich malte, stammt wohl vorliegendes Bild aus seiner Werkstatt. Das Vorbild dazu befindet sich nämlich in den Uffizien von Florenz. Hier der link zum Bild in der Fototeca Berenson in einer alten Aufnahme von vor über 100 Jahren.
Es muß also nicht immer ein Tizian sein, wenn es etwas besonderes sein soll!
P.S.: Das Bild wurde für 1400 Euro zugeschlagen. Ein Schnäppchen; für den Preis findet man so ein Bild nicht alle Tage!