Es war einmal eine Zeit da gab es keine farbigen Hochglanzabbildungen oder digitale hochauflösende Bilder von Meisterwerken. Das höchstes der Gefühle war lediglich ein mehr oder minder gut gelungener Kupferstich in schwarz-weiß. Wollte man die Bilder in Farbe sehen, dann musste man sich schon selbst vor Ort begeben. Und hatte man richtig viel Geld übrig, dann konnte man auch einen Maler nach Italien schicken um vor Ort Bilder zu kopieren. Einer, der sich dies leisten konnte, war der aus einem Niedersächsischen Adelsgeschlecht stammende Adolf Friedrich Graf von Schack. Und ja: Es ist genau der Schack nachdem die gleichnamige Galerie in München benannt ist.

 

Schack ließ die Kopien nicht nur für sich anfertigen, sondern auch für ein breites Publikum. Als Mäzen, der er war, sollte die breite Öffentlichkeit auch etwas davon haben. Sein Lieblingsmaler für Kopien nach italienischen Meistern war August Wolf, dessen Werke eigens einen Ausstellungsraum in der Schack’schen Galerie bekam. Wolf kopierte übrigens nur venezianische Meister und er liebte die Stadt so sehr, daß er sich dort auch häußlich niederließ. Jetzt ist eines seiner Bilder bei Metz in Heidelberg am 11./12. Dezember zur Auktion gekommen:

 

 

Bild: Auktionshaus Metz Heidelberg

August Wolf (1842-1915) attrib. Frau mit Krone. Öl/Lw., gerahmt, 44,5 x 33 cm.

 

Leider lässt die Beschreibung ein wenig zu wünschen übrig. Tatsächlich ist an der Feststellung „Frau mit Krone“ formal nichts auszusetzten, doch ein wenig mehr Ahnung um Meisterwerke der venezianischen Renaissance hätte man sich beim Auktionshaus Metz dann doch wünschen können. Wie dem auch sei, denn dargestellt ist die hl. Barbara. Als Rechteinhaber für die Darstellung zeichnet Jacopo Negretti, gennant Palma il Vecchio (1480-1528), verantwortlich. Die oben dargestellte Kopie zeigt einen Ausschnitt aus dem Retabel der Heilgen Barbara, das für die Kirche Santa Maria Formosa in Venedig 1509 gemalt wurde und bis heute an ihrem Aufstellungsort erhalten geblieben ist:

Bild: Wikimedia commons

 

Wie man sehen kann ist sie ziemlich groß in Szene gerückt, was damit zu tun hat, daß der Altar von der Zunft der Artilleristen gestiftet wurde, deren Schutzpatronin die Heilige Barbara ist. Die Heiligenvita will es, dass es ihr Vater höchstpersönlich war, der seine zum Christentum übergetretene Tochter enthauptete. Danach soll ihn der Blitz getroffen haben. Im übertragenen Sinn arbeitet die Artillerie ebenso mit Blitz und Donner und hofft damit ihr Ziel zu treffen.

 

Die Darstellung der Barbara von Jacopo Palma gehörte selbstverständlich zu einem der 41 Kunstwerke, von denen Schack eine Kopie haben wollte. Sie hat sich bis heute in München erhalten, auch wenn sie nicht ausgestellt wird:

Bild: Bayerische Staatsgemäldesammlung – Neue Pinakothek, München

 

Mit steigendem Ansehen bekam August Wolf Anfragen für Aufträge nicht nur aus Deutschland sondern sogar aus Amerika. Je nach Wunsch oder Kaufkraft seiner Klientel malte er dann – wie im vorliegenden Fall – auch nur mal den Kopf der Heiligen. Dabei ließ er übrigens den Turm im Hintergrund weg, in dem Barbara nach der Legende von ihrem Vater gesperrt worden war. Bei einer nur auf den Kopf reduzierten Darstellung hätte der Turm nur gestört. Konsequenterweise wurde er daher weggelassen.

 

Wie beliebt die Darstellung war, zeigt etwa folgendes Bild welches 2017 in den U.S.A. versteigert wurde. Schön dabei anzusehen ist insbesondere der historisierende Rahmen:

Bild: Freeman’s auction, Philadelphia

 

Zwar hat es Barbara nicht „zur vollen Größe“ geschafft, doch eine Höhe von knapp einem Meter inklusive dem Rahmen ist auch nicht schlecht, insbesondere wenn man in der Umrahmung noch ein paar Figuren untergebracht hat: oben Gottvater und unten eine Art Jesse, also den Vater Davids, der quasi die Darstellung von unten her stützt. Jedenfalls hat man sich hier einiger Mühen unterzogen eine Kopie mit „pomp and circumstances“ anzufertigen.

 

Fazit: Die Darstellung der hl. Barbara von Palma il Vecchio war nicht irgendein Bild, sondern ein hochgeschätztes und viel kopiertes Meisterwerk bis in das frühe 20. Jahrundert hinein. Nur wissen wir davon heutzutage nichts mehr. Die italienische Renaissance und ihre Maler sehen wir schon lange nicht mehr als das Maß aller Dinge an. Es wurde längst durch neue Helden abgelöst, wobei der Expressionismus Kultstatus erlangt hat. So ändern sich die Zeiten.